Mexikanisches Großprojekt stößt nicht überall auf Zustimmung
Noch ist alles ruhig. Die Festungsmauern erheben sich kontrastreich gegen den blauen Himmel und vom weißen Sandstrand an
der sogenannten Riviera Maja ab. Willkommen in Tulum, der Maya-Fundstätte, die direkt am Meer liegt. Eine Location, die
Ursprünglichkeit vermittelt, Touristen sprachlos macht und ja, bei vielen auch Romantik hervorzaubert. Und das dank seiner
Lage. Mit der Ruhe allerdings dürfte es dann bald vorbei sein. Denn ab 2023 soll der neue Maya-Zug über die Halbinsel Yucatán
fahren. Teilweise auf dem bereits bestehenden Schienennetz, teilweise auf neuen Streckenabschnitten.
Der „Tren Maya”, übersetzt der Maya-Zug, ist eines der größten Infrastrukturprojekte des neuen mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel
López Obrador. Für ihn ist der Maya-Zug jedoch nicht nur ein Zug, sondern eine Entwicklungsstrategie. Eine, an der sich die Geister
scheiden. Denn längst nicht jeder Einwohner ist von diesem Projekt begeistert. So sind Umweltschützer, Archäologen und Vertreter
der indigenen Gemeinschaften besorgt. Die Dorfbewohner in der Region fürchten, dass von dem Megaprojekt für sie lediglich ein paar
Jobs als Tellerwäscher in den neuen Hotels drin sind.
Insgesamt sind 15 Haltestellen geplant: von den weißen Sandstränden in Cancún bis zu den archäologischen Ausgrabungsstätten von
Palenque und Chichén Itzá. An der Strecke sollen zudem neue Hotels und Dörfer entstehen. Bauern, die ihr Land für den Bau zur Verfügung
stellen, werden dabei Partner des Projekts.
Calakmul erlebte seine Blütezeit zwischen den Jahren 250 und 900 nach Christus und ist heute Kulturerbe der Unesco. Die alte Maya-Stadt liegt mitten in einem mehr als 720.000 Hektar großen Schutzgebiet. Ein 60 Kilometer langer Weg führt von der Landstraße bis zu der historischen Stätte. Pfauentruthähne, Hirsche und Dachse kreuzen den Pfad. In Calakmul liegt, neben 15 Schutzgebieten des Bundes und weiteren 20 bundesstaatlichen Schutzgebieten, auch das Biosphären-Reservat. In diesem Reservat leben 2000 der letzten 4800 Jaguare Mexikos.
Auch andere Tiere und Pflanzen in der Region sind vom Aussterben bedroht und stehen unter besonderem Schutz. Logisch, dass das geplante Projekt hier nicht auf riesigen Zuspruch stößt. Der Maya-Zug soll mit Yucatán, Quintana Roo, Campeche, Chiapas und Tabasco durch insgesamt fünf Bundesstaaten fahren. An der Wegstrecke liegen zahlreiche Cenotes, für die Region typische unterirdische Seen und Flüsse, sowie Überreste der Maya-Kultur wie die Ruinenstätte Xpuhil, Becán und Chicanná.
Viele Bewohner sehen das neue Projekt als eines der Großkapitalisten. Aber Präsident Andrés Manuel López Obrador hat trotzdem schon jetzt deutlich gemacht, dass der Maya-Zug kommen wird. Und spätestens mit Realisierung des geplanten Infrastrukturprojektes dürfte es dann auch mit der Ruhe in der Region vorbei sein. Tina Nitsche